Nach neun Jahren im Amt zieht sich Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) aus der Politik zurück. Schon länger war spekuliert worden , der 55-Jährige sei amtsmüde – am Sonntagnachmittag erklärte er nun seinen Rücktritt. Der CDU-Politiker leitet das Rathaus in der Hansestadt seit 2001. Als Grund nannte Beust, dass die biblische Erkenntnis "Alles hat seine Zeit" auch für Politiker gelte. "Selbstverständlich auch für mich." Deshalb habe er beschlossen, zur nächsten Bürgerschaftswahl 2012 nicht mehr anzutreten.
Beust hatte bereits den Vorstand seiner Partei bei einer Sitzung um 16 Uhr über seine Entscheidung informiert. Der Erste Bürgermeister gab damit noch vor Schließung der Wahllokale seinen Rücktritt zum 25. August auf einer Pressekonferenz im Rathaus bekannt. Es sei der "vernünftige Zeitpunkt", unabhängig vom Ausgang des Volksentscheides über die Schulreform, sagte Beust. Eine Bürgerinitiative will das Kernstück der umstrittenen Schulreform in der Hansestadt, die sechsjährige Primarschule, kippen.
Mit Beust geht der sechste CDU-Landesregierungschef innerhalb eines Jahres. Zunächst trat im vergangenen Herbst Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus zurück. Danach wechselte Baden-Württembergs Regierungschef Günther Oettinger in die EU-Kommission, Roland Koch erklärte in Hessen seinen Rücktritt, Christian Wulff (Niedersachsen) wurde Bundespräsident und Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen) abgewählt.
Als wahrscheinlichster Nachfolger gilt Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU). Der 40-Jährige leitet die Innenbehörde seit zwei Jahren und steht dem einflussreichen CDU-Kreisverband Nord in der Hansestadt vor. Hamburgs CDU-Partei- und Fraktionschef Frank Schira hatte erklärt, er strebe keine weiteren Ämter an. Der Hamburger SPD-Landeschef Olaf Scholz hatte zuvor Neuwahlen im Fall eines Beust-Rücktritts gefordert. "Die Hamburger werden es nicht gerne sehen, wenn jetzt ein neuer Bürgermeister eingesetzt würde, ohne sie zu fragen", sagte Scholz der Zeitung Welt am Sonntag . Der frühere Hamburger Innensenator Scholz gilt als erster Anwärter auf die SPD-Spitzenkandidatur.
Auch Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles, pflichtete Scholz jetzt bei. Unabhängig vom Ausgang des Volksentscheids über die Schulreform könne es in Hamburg nicht einfach so weitergehen. "Das werden die Bürgerinnen und Bürger nicht akzeptieren." Das erste schwarz-grüne Experiment lasse sich nicht erfolgreich fortsetzen. "Die Grünen müssen sich ernsthaft fragen, ob sie mit diesem Bündnispartner in eine äußerst unsichere Zukunft marschieren wollen. Dieses Bündnis kann für sie nicht mehr attraktiv sein", sagte Nahles.
Die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir erklärten zur Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition: "Es kann nach dieser Zäsur keinen Automatismus geben." Die schwarz-grüne Koalition in Hamburg habe gut gearbeitet und viele Projekte für die Stadt angeschoben. "Die CDU muss nun deutlich machen, dass sei auch künftig diesen Weg moderner Stadtpolitik verfolgen wird."
Gemeinsam mit von Beust verlässt auch der Staatsrat der Senatskanzlei, Volkmar Schön, sowie Kultursenatorin Karin von Welck die Regierung. Die 63-Jährige parteilose Kultursenatorin von Welck wird ebenfalls zum 25. August ihr Amt aufgeben, kündigte von Beust an. Sie gehört dem Senat seit 2004 an. Ihre Behörde ist auch für Sport und Medien zuständig. In den vergangenen Monaten war die in der Nähe von Köln geborene Senatorin wegen Etatproblemen bei den Museen und einer öffentlich geäußerten Unzufriedenheit von Kulturschaffenden in der Hansestadt unter Druck geraten. Auch die aus dem Ruder gelaufenen Kosten und Verzögerungen beim Bau der Elbphilharmonie fallen in ihr Ressort.
Kommentare
ellipsoid7
#1 — 18. Juli 2010, 22:48 UhrEin moderner Regierungschef
Klar ist es schade, wenn ein freundlicher und beliebter Spitzenpolitiker mit Gespür für das gemeinsam Mögliche, der sich sicher um seine Stadt verdient gemacht hat, freiwillig nach neun Jahren geht. Doch finde ich, dies Recht muß er haben. Neun Jahre an der Spitze sind mehr als etwa einem amerikanischen Präsidenten per Verfassung zugestanden wird. Neun Jahre an der Spitze sind sehr anstrengend, wenn man seine Arbeit gut macht.
Neun Jahre wären auch für einen dazumal regierenden Kanzler eine gute Zeit gewesen, abzutreten und einem Mitstreiter aus seiner Partei (Biedenkopf, Schäuble oder Geissler) die Zügel zu überlassen. Stattdessen folgten sieben Sommer bleierne Zeit.
Eine verfassungsmässige Begrenzung der Kanzlerschaft auf 2 Perioden zu 5 Jahren Legislatur = 9 1 Jahre - fände mein OK.
am Abgrund
#2 — 18. Juli 2010, 23:06 UhrWie hieß er noch?
Der einzige deutsche Politiker beim Bilderbergtreffen?
Na?
Richtig: Olaf Scholz.
Und, da hat man sich noch gewundert, was DER dort macht.
Nun, diese Frage scheint nun auch geklärt...fordert er
doch lauthals NEUWAHLEN.
Noch Fragen?
zuckerman
#2.1 — 18. Juli 2010, 23:41 UhrButter bei die Fische
"Noch Fragen?"
Wo kann ich meine Bestechungsprämie abholen, um entsprechend zu wählen? Aber konkret bitte!
Hans-Peter Blume
#3 — 18. Juli 2010, 23:20 Uhrkeine Träne
Manche Medien erwecken den Eindruck, praktisch alle Hamburger seien "Beust-Fans" gewesen. Das trifft natürlich
keineswegs zu. Ich weine ihm keine Träne nach. Außer der
unhanseatisch angeberischen Elbphilharmonie,einem
anscheinend bodenlosen Geldgrab, hinterläßt er der Stadt
enorme Pensionslasten für eine ganze Reihe von ihm aus
Gründen der persönlichen Machterhaltung nach kurzer Amts-
zeit entlassener Senatoren und Staatsräte(Kusch, Schill,
Wellinghausen usw.) Es macht mich auch nicht froh, daß
auf den adligen Freiherrn als Bürgermeister der urrepublikanischen Freien und Hansestadt Hamburg (bereits
im Mittelalter reichsfreie Stadt) nunmehr ein "Quiddje"
(Auswärtiger)-Ahlhaus- folgen soll.
Die Dreistigkeit, für seinen Rücktritt zur Mitte der
Wahlperiode die Bibel in Anspruch zu nehmen, verschlägt
mir die Sprache. Nach seiner eigenen Einlassung wurde
der Zeitpunkt vielmehr maßgeblich durch wahlkampftaktische
Gründe (Aufbau eines Nachfolgers) bestimmt. Die sauberste
Lösung dürften sofortige Neuwahlen sein.
zuckerman
#3.1 — 18. Juli 2010, 23:45 UhrWellinghausen
Wenn ich mich richtig erinnere war Wellinghausen schon in der Vorgängerregierung Staatsrat und wurde obwohl SPD-Mitglied übernommen. Nach Ihrer Logik müssten Sie von Beust dankbar sein, dass Wellinghausen für sein Geld noch länger arbeiten musste als es bei einem Farbenwechsel der Regierung ansonsten üblich ist.
WuDang
#4 — 19. Juli 2010, 0:07 UhrSo nach und
scheint sich jeder aus dem Koalitionslager zu trollen.