Einst sollte von dieser Stadt an der Ostsee ein Signal der Einheit ausgehen – heute steht sie für einen gefährlichen Konflikt. Am Morgen des 18. Januar 1701 setzte sich dort ein Kurfürst selbst die Krone auf: Friedrich III. von Brandenburg-Preußen wurde zum König, zu Friedrich I. in Preußen. Für diese Demonstration seiner neuen Macht hatte sich der Herrscher einen besonderen Ort ausgesucht, das Schloss in Königsberg. Von der altehrwürdigen Residenz im Osten wollte er das neue Reich zusammenführen, das aus vielen isolierten Teilen bestand. Nicht nur der Name passte zu dem sorgsam geplanten Staatsakt: Königsberg – heute Kaliningrad – war eine uralte preußische Stadt. Einst siedelte dort ein Volk, das dem späteren Staat seinem Namen gab, die Prußen, Urahnen der Preußen.
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Jahre nach der Krönung in Königsberg macht die Stadt als Kaliningrad immer
wieder Schlagzeilen. Sie ist zum Symbol geworden für eine zunehmende Eskalation
zwischen Europäischer Union und Russland, für eine weitere Verschlechterung der
Beziehung zwischen Ost und West.
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehörten Kaliningrad und das Umland zur Sowjetunion, heute ist die Region russisches Staatsgebiet. Die Exklave liegt gut 1.100 Kilometer von Moskau entfernt, aber nur 500 Kilometer von Berlin. Dieser westlichste Teil Russlands ist fast halb so groß wie Baden-Württemberg und ragt, eingeschlossen von Polen und Litauen, wie ein Fremdkörper in die EU hinein. Fast 500.000 Menschen leben dort, in der ganzen Oblast sind es knapp 950.000.
Und die Exklave hat für die Regierung im Kreml eine überragende strategische Bedeutung. Russland betreibt dort einen großen Militärstützpunkt, hat Iskander-Kurzstreckenraketen stationiert, die Nuklearsprengköpfe tragen können. Zudem halten die russischen Streitkräfte in Kaliningrad Hyperschallraketen bereit, die nicht nur sehr schnell auf ihr Ziel zurasen, sondern auch während des Flugs ihre Bahn so verändern, dass sie von herkömmlichen Abwehrsystemen kaum bekämpft werden können. Diese Kinschal-Raketen werden in der Luft von MiG-31K-Abfangjägern abgefeuert.
Vor allem aber soll Kaliningrad die Dominanz des Westens über die Ostsee mindern. 1995 waren Schweden und Finnland der Europäischen Union beigetreten, neun Jahre später Polen und die baltischen Staaten. Damit wurde die Ostsee zu einem Binnenmeer der EU. Mit der vor Kurzem beantragten Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Nato verschlechtert sich Russlands strategische Lage weiter.
Nun hat Litauen den Güterverkehr per Bahn nach Kaliningrad eingeschränkt. Es setzt damit Sanktionen der Europäischen Union um, die bestimmte Exporte nach Russland verboten hat und dazu zählt eben auch Kaliningrad. Über Land kann die Oblast nur über Polen und Litauen versorgt werden, die Alternative ist der Weg über die Ostsee. Da Kaliningrad weiterhin problemlos per Schiff zu erreichen ist, gibt es für die russische Regierung keinen dringenden Handlungsbedarf. Beim Streit um den Zugang scheint die Regierung im Kreml sich allerdings vom Westen ein weiteres Mal herausgefordert zu fühlen und kündigte bereits "schwere negative Auswirkungen" für die "Bevölkerung Litauens" an. Da Litauen nicht nur zur EU gehört, sondern auch Mitglied der Nato ist, kann Russland nicht auf militärische Mittel setzen, um die einstige Sowjetrepublik zu disziplinieren – zumindest nicht, ohne einen Krieg mit dem Bündnis zu riskieren. Für die litauische Regierung war der Schutz vor Russland ein wesentlicher Grund für den Beitritt zur Nato 2004.
Kommentare
entscheidedich
#1 — vor 4 Tagen""Die Zeit der Kampfhandlungen und der anschließenden russischen Besetzung waren durch Gewalttaten, Vergewaltigungen, Verschleppungen und Kriegsverbrechen gegenüber der Zivilbevölkerung seitens Angehöriger der Roten Armee geprägt.""
Sind das die immer währenden Kernkompetenzen die die Soldaten der russischen Föderation übernommen haben?
IchhabekeinFotofürDich
#1.1 — vor 4 TagenIch fürchte das machen fast alle Armeen und das die Russen da kein Alleinstellungsmerkmal haben.
Was die Taten in KEINSTER WEISE ENTSCHULDIGT!
VivaViveka
#2 — vor 4 Tagen"Es setzt damit Sanktionen der Europäischen Union um, die bestimmte Exporte nach Russland verboten hat und dazu zählt eben auch Kaliningrad."
Ich frage mich, ob es wirklich ein Export ist, wenn Russland an sein eigenes Staatsgebiet Material schickt? Das ist ein Transit, kein Export.
Für mich ist dass ein weiteres Drehen an der Eskalationsschraube, wofür jetzt an den Haaren herbei gezogene Formulierungen gesucht werden.
ZON weiß nicht wie das Partizip I genutzt wird
#2.1 — vor 4 TagenJaja, alles, was Moskau nicht passt, ist für manche immer einen "Drehen an der Eskalationsschraube", nächste Woche ist irgendwas anderes, was dem Kreml nicht passt für Sie dann ein "Drehen an der Eskalationsschraube".
Litauen setzt die EU-Sanktionen um, das ist richtig und legitim.
Wolkenschaf
#3 — vor 4 Tagen„Vor allem aber zeigt der Blick auf Kaliningrad einmal mehr, dass sich Russland nie wieder freiwillig von Territorium trennt, das es einmal annektiert hat.“
Bleibt die Frage, zu wessen Gunsten sich Russland von Kaliningrad trennen möge.
Бruderkuss
#3.1 — vor 4 Tagen>>Bleibt die Frage, zu wessen Gunsten sich Russland von Kaliningrad trennen möge.<<
Zu Deutschlands Gunsten! Ganz klar! Kant is coming home!
Kann der Historiker Putin doch nichts dagegen haben?!
Dogwalker
#4 — vor 4 Tagen++Vor allem aber zeigt der Blick auf Kaliningrad einmal mehr, dass sich Russland nie wieder freiwillig von Territorium trennt, das es einmal annektiert hat. ++
Gut - Deutschland hat keine Ambitionen Kaliningrad - bzw. Königsberg- zurück zu erhalten.
Das Besorgniserregende ist, dass Russland den Status quo ante zurück haben will.
Alles was jemals zu Russland gehörte soll zurück ins russische Reich - egal ob die Menschen wollen oder nicht.
Es fällt nicht schwer zu sehen auf welche Gebiete der russische Bär sein Auge sonst noch geworfen hat.
Jeder "Sieg" stillt nicht den russischen Hunger sondern befeuert ihn.
Und deswegen darf Russland um keinen Preis gewinnen.
Wolkenschaf
#4.1 — vor 4 Tagen„Und deswegen darf Russland um keinen Preis gewinnen.“
Nun hat sich Deutschland unter dem Jubel der meinungsprägenden Gruppen militärisch über Jahrzehnte selbst kastriert und kann daher in dieser Frage kein Akteur mehr sein.