Bundespräsident
Frank-Walter Steinmeier hat in einer Rede vor
der UN-Vollversammlung in New York Großmächte wie die USA, China und
Russland an ihre Verantwortung für den Rest der Welt erinnert.
"Die Vereinten Nationen sind kein wertneutraler Boxring der
Weltmächte", sagte Steinmeier dem Redemanuskript zufolge in Anspielung auf die
Differenzen zwischen den Supermächten. "Die Vorrechte, die die
großen Mächte im System der Vereinten Nationen genießen, haben
ihre Berechtigung nur, solange sie die internationale
Friedensordnung im Interesse aller fördern und erhalten – und
nicht nach beliebigem Eigeninteresse ignorieren oder
unterlaufen."
Deutschland fordert wie viele andere Länder weltweit seit Langem eine Reform des UN-Sicherheitsrats, in dem nur fünf Länder – die USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien – einen ständigen Sitz und damit verbunden ein Vetorecht haben.
Zuvor hatte Steinmeier versichert, Deutschland werde sich auch
nach der Bundestagswahl stark außen- und europapolitisch
engagieren: "In dieser Zeit des politischen Übergangs in
meinem Land möchte ich Ihnen versichern: Deutschland bleibt auch
nach dieser Wahl ein Land, das um seine internationale
Verantwortung weiß und sie wahrnimmt."
Deutschland sei davon überzeugt, dass große, offene Menschheitsfragen nur durch "noch weit mehr Zusammenarbeit" beantwortet werden könnten. "Wir brauchen eine starke gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik." Er teile dabei die französische Haltung. "Nur ein starkes Europa kann von anderen verlangen, ihren Teil zur internationalen Friedensordnung beizutragen." Nur ein starkes Europa könne zudem die Zusammenarbeit mit China suchen – und zugleich von der Volksrepublik Respekt einfordern für Menschenrechte und Völkerrecht sowie für die legitimen Interessen seiner Nachbarn.
"Auch mein Land trägt Mitverantwortung"
Den Fall der afghanischen Hauptstadt Kabul an die Taliban bezeichnete Steinmeier als Zäsur. Man habe es nicht geschafft, in 20 Jahren eine selbsttragende politische Ordnung in Afghanistan zu schaffen. "Auch mein Land trägt Mitverantwortung", sagte der Bundespräsident. Allerdings sei Resignation die falsche Antwort. In dem Moment der "geopolitischen Ernüchterung" müsse die Außenpolitik vielmehr "ehrlicher, klüger und stärker" werden. "Wir müssen unseren Instrumentenkasten erweitern – diplomatisch, militärisch, zivil, humanitär."
Europäer und auch Deutsche müssten mehr tun für die eigene Sicherheit sowie Frieden und Stabilität in der Nachbarschaft und weltweit. Ausdrücklich erwähnte Steinmeier dabei Libyen, die Ostukraine und den mittleren Osten. Er forderte den Iran auf, schnellstmöglich zu den Verhandlungen über das internationale Atomabkommen zurückzukehren.
Der Bundespräsident bekannte sich zu einer starken transatlantischen Partnerschaft und warnte zugleich, dass man keinen amerikanischen Rückzugsreflexen folgen dürfe. Indirekt spielte er auch auf den amerikanisch-französischen Streit um U-Boot-Lieferungen für Australien an. "Kein kurzfristiger Vorteil ist es wert, dass unsere transatlantische Geschlossenheit Risse bekommt."
Mit Blick auf den Kampf gegen den Klimawandel sagte Steinmeier: "Vor diesem dramatischen Hintergrund ist der Rückfall in nationale Egoismen, vor dem ich warne, mehr als nur ein Schritt zurück in die Vergangenheit. Er ist Raubbau an unserer gemeinsamen Zukunft."
Kommentare
NoNationMeansNoWelfare
#1 — vor 9 MonatenSteinmeiers Worte in allen Ehren, aber denkt wirklich jemand ernst haft, dass deutsche oder andere Mahnungen irgendein außenpolitisches Gewicht besitzen? Unser Militär ist winzig und unsere wirtschaftliche Macht nutzen wir selten als Hebel, ganz gewiss nicht gegen die beiden größten Volkswirtschaften der Welt.
Wie wenig sogar die Interessen einer Atommacht und Mitglied des UN-Sicherheitsrats zählen, hat man an Frankreich im Zuge des "AUKUS"-Deals gesehen.
Klaus Resolut
#1.1 — vor 9 MonatenSchon komisch, dass unser Militär bei 45 Mrd. Ausgaben jährlich vermeintlich so winzig ist. Wie machen das nur unsere Nachbarn?
Bspw. Frankreich mit dem gleichen Budget..?
Gnadenlose russische Arithmetik
#2 — vor 9 Monaten"Kein kurzfristiger Vorteil ist es wert, dass unsere transatlantische Geschlossenheit Risse bekommt."
zu China und transatlantische Geschlossenheit...
EU zurzeit hat grosse Probleme mit Gasversorgung. Hauptgrund ist LNG Maengel von USA und Qatar.
USA und Qatar fuettren west. Klassenfeind (China) und vergessen EU. Und USA liefert Gas nicht nur durch Panama, aber auch durch Suez. Voellig Absurd.
Heute die LNG-Lieferungen gingen insgesamt um 15,9 % (10,74 Mrd. m3) zuruck, wahrend die Gasimporte (Ru) uber Pipelines um 33,1 % (31,5 Mrd. m3) stiegen.
ickvonhier
#2.1 — vor 9 MonatenQuelle, zur Wiederverwendung?
Sardur
#3 — vor 9 MonatenDie Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. (Goethe, Faust I)
Das Glasperlenspiel
#4 — vor 9 MonatenEr kann es einfach nicht lassen. Deutschlands Außenpolitik ist politisch und militärisch geradezu verzwergt, für eine moralische Belehrung eines deutschen Spitzenpolitikers reicht's aber wohl noch.
M X
#4.1 — vor 9 MonatenDas sehe ich grundlegend anders. Deutschland hat sowohl mit China, als auch mit den USA erhebliche Handelsvolumen, besonders in Anbetracht der Größe Dtl. Rechnet man ganz Europa hinzu, wovon Dtl. die größte Volkswirtschaft ist, sind das nochmal andere Dimensionen. Und Gewicht hat Dtl. in militärischen Fragen nicht zuletzt durch die NATO.
Aber das ist alles nicht so bedeutsam. Man vertraut Deutschland und anderen europ. Staaten, ein ausgleichender Vermittler zwischen den Großmächten zu sein. Deswegen hört man Steinmeier zu.