Vor genau einem Jahr, am 18. März 2020, wurden in der italienischen Stadt Bergamo jene Fotos aufgenommen, die Italien, Europa und die ganze Welt schockierten: Bilder einer langen Kolonne von Militär-LKW, vorgefahren vor dem Friedhof um Hunderte Särge mit Covid-19-Opfern abzutransportieren. Weil das örtliche Krematorium überlastet war.
Am heutigen 18. März ist Italiens neuer Ministerpräsident Mario Draghi in Bergamo angekündigt, dieser zum Inbegriff der Corona-Katastrophe gewordenen norditalienischen Stadt. Er will am späten Vormittag erstmals den neu geschaffenen Gedenktag für die Opfer der Pandemie begehen.
Mittlerweile zählt allein Italien
103.000 Tote. Seit Wochen sterben jeden Tag mehr als 300 Menschen, am Dienstag meldeten
die Behörden 502 Tote. Italien scheint in einer Zeitschleife gefangen. Ganz wie
im März letzten Jahres nimmt die Pandemie wieder Fahrt auf, steigen die Infektions- und Totenzahlen, sind viele Intensivstationen wieder voller
Patientinnen und Patienten, die nach Luft ringen.
Und genau wie vor einem Jahr gelten seit Montag wieder zehn der 20 Regionen als "rote Zonen". Sie sind weitreichenden Restriktionen unterworfen. Egal ob in Turin, in Mailand, in Rom oder Neapel: Mehr als zwei Drittel der Italienerinnen und Italiener dürfen nur noch mit einer Selbstbescheinigung vor die Tür, und auch das nur dann, wenn sie Notwendiges zu erledigen haben. Etwa den Weg zur Arbeit oder zum Arzt, den Einkauf oder eine Joggingrunde. Besuche sind komplett untersagt, auch bei Verwandten. Bars, Restaurants, Friseursalons und Geschäfte sind geschlossen, außer denen, die lebensnotwendige Güter verkaufen. Und erneut sind auch alle Bildungseinrichtungen von der Kita bis zum Gymnasium zu, sieben Millionen Schülerinnen und Schüler lernen wieder zu Hause.
Kein Wunder also, dass es jetzt auch wieder Bilder wie vor einem Jahr gibt, vom gähnend leeren Markusplatz in Venedig oder vom verwaisten Trevibrunnen in Rom. Von Bussen, die mit nur einer Handvoll Passagieren unterwegs sind, von leergefegten Einkaufsstraßen.
Der Lockdown soll die dritte Welle brechen
Die Regierung hofft, mit diesem erneuten Lockdown die dritte Welle zu brechen. Die Variante B.1.1.7. macht mittlerweile über 50 Prozent der Neuansteckungen aus, sie verbreitet sich rasant. Die täglichen Neuinfektionen liegen wieder bei über 20.000, die nationale Sieben-Tage-Inzidenz bei mehr als 200 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohnerinnen, einige Regionen des Nordens kommen auf 400.
Niemand in dem breiten Parteienspektrum, das die Regierung Draghi trägt, hatte Einwände gegen diese Notbremse. Von der rechten Lega über die Fünf Sterne und die gemäßigt linke Partito Democratico bis zur radikal linken Liberi e Uguali (Freie und Gleiche), die den Gesundheitsminister stellt, waren alle einverstanden. Und auch auf der Straße protestierte niemand, keine Querdenker und keine Vertreter gebeutelter Berufsgruppen.
Kommentare
Rapture Reloaded
#1 — 18. März 2021, 9:08 UhrGerade die lebhaften Italienern, mir tun sie so schrecklich leid.
Kaum eine andere Nation Europas ist so gesellig.
Kad sam bio mlad
#1.1 — 18. März 2021, 9:18 UhrWird schon wieder.
Sumtina
#2 — 18. März 2021, 9:18 UhrEin sc höner Artikel, der wirklich genau wiederspiegelt wie das Empfinden dort ist. Viele haben resigniert. Und man kann sich nicht vorstellen, wie schlimm die Armut das Land heimsucht. Denn, ja es gibt Hilfen, aber von einem Sozialsystem wie hier, kann man nur träumen. Meiner tante haben sie gestern den Strom abgestellt, sie konnte die Rechnungen nicht mehr zahlen. Da gibt es keine Kulanz, wir versuchen gerade zu sammeln in der Familie, damit wir das hinbekommen. Seit der Mann gestorben ist, ist sie in ein großes Loch gefallen. Aber es ist nur ein tropfen auf den heissen Stein, denn kaum einer, der noch arbeiten gehen kann wie gewohnt. Viele sind vom Tourismus abhängig, auch das wird dieses Jahr nicht gehen. Und das Schlimmste, es fängt wieder aller ortens von vorne an.
dilek s
#2.1 — 18. März 2021, 9:58 Uhrbin sehr geruehrt von ihrem kommentar ...es tut mir sehr leid zu sagen, scheint so wenig....wuensche ihrer tante und allen anderen betroffenen, dass es so schnell wie moeglich wieder bergauf geht und dass uns allen der gesunde menschenverstand nicht komplett verloren geht.
nicht nur sozialökonomisch hat sich vieles durch covid veraendert, sondern auch ganze gesellschaften und deren kulturen, wie es ja auch in dem artikel deutlich wird....
sie koennten vielleicht ein gofundme page fuer ihre tante/ gemeinde aufstellen!
Die Dummheit von Regierungen sollte niemals unterschätzt werden.
#3 — 18. März 2021, 9:21 Uhr"Die Regierung Draghi legt in diesen Tagen ein neues Hilfspaket auf.
Zwölf Milliarden Euro sollen an Unternehmen fließen"
Das wird nicht reichen.
sonika
#3.1 — 18. März 2021, 9:29 UhrKönnten Sie vieleicht auf das Leiden der Menschen eingehen?
Mir geht es näher, als das Hifspaket.
Lesefreundin
#4 — 18. März 2021, 9:27 UhrMan kann diesem schönsten Land Europas nur wüschen, und hoffen, dass es bald besser wird, und alle die Familenmitglieder verloren haben, ihre Tränen irgendwann getrocknet werden. Auch hoffe ich, dass wir Deutschen irgenwann diese Land wieder besuchen dürfen. Ich werde nie vergessen, als die vielen Lastwagen mit den Leichen durch die Orte fuhren, und die Menschen nicht einmal Abschied nehmen konnten. Liebe Italienerinnen und Italiener, ich fühle mit Ihnen von ganzem Herzen.