Bei der größten Demonstration in Prag seit 30 Jahren haben mehrere Hunderttausend Menschen gegen die tschechische Regierung protestiert. Die Veranstalter vom Netzwerk Milion chvilek pro demokracii (Eine Million Augenblicke für Demokratie) sprachen von mindestens 250.000 Teilnehmern, die sich auf der Letná-Ebene oberhalb der Moldau versammelten. Eine U-Bahn-Station musste wegen des Andrangs gesperrt werden, die Mobilfunknetze fielen wegen Überlastung aus.
Die Teilnehmenden hielten Schilder mit der Aufschrift "Demission" und riefen in Sprechchören: "Wir sind da!". Beobachtern und lokalen Medien zufolge war es die größte Massenkundgebung in Prag seit der Samtenen Revolution, also der demokratischen Wende von 1989.
Die Demonstrantinnen und Demonstranten forderten unabhängige Ermittlungen gegen Regierungschef Andrej Babiš von der populistichen Partei ANO sowie den sofortigen Rücktritt des Premiers. Der Großunternehmer und Multimilliardär soll unter anderem unrechtmäßig von EU-Subventionen profitiert haben. Zudem stehe er als Politiker in einem Interessenkonflikt. Seit Monaten kommt es in Tschechien immer wieder zu Massenprotesten gegen den Regierungschef.
Der 64 Jahre alte Babiš weist alle Anschuldigungen gegen sich zurück. Am Mittwoch muss sich die Regierung im Parlament einer Misstrauensabstimmung stellen. Ein Erfolg der Opposition gilt aufgrund der Stimmenverhältnisse als unwahrscheinlich. Babiš' Partei ANO war bei der tschechischen Parlamentswahl im Oktober 2017 stärkste Kraft geworden.
Kommentare
Paul Freiburger
#1 — 23. Juni 2019, 20:41 UhrDie Veranstalter sprechen schon von 350 000 Teilnehmern, etwas übertrieben, vielleicht. Aber das Letná-Plateau ist voll.
Babiš versucht offensichtlich, die Ermittlungen gegen sich zu behindern, er hat eine Vertraute von sich zur Justizministerin gemacht, als. Im gehören auch die zwei größten Tageszeitungen des Landes, Mladá fronta Dnes und Lidové noviny.
Paul Freiburger
#1.1 — 23. Juni 2019, 21:31 UhrDie vorherige Justizminister, auch aus der Partei von Babiš, trat einen Tag nach der Ankündigung der Staatsanwaltschaft, sie empfehle eine Anklage gegen Babiš, zurück, ohne ersichtlichen Grund, und seine Stellvertreterin wurde Justizministerin.
Die Leute haben genug.
Babiš Firma betreibt industrielle Landwirtschaft mit Raps, kassiert dafür EU-Beihilfen, über die er als Premierminister entscheiden kann. Ökologisch ist der Raps-Anbau sehr problematisch.
Inoagent
#2 — 23. Juni 2019, 20:42 UhrEs ist schon erstaunlich, wie es in den osteuropäischen Staaten immer noch Gang und Gebe ist, dass sich durch und durch korrupte Politiker mit rechtspopulistischen Parolen an der Macht halten. Babis, Dragnea, Vucic, Orban, Kandinsky...
Aber kürzlich musste Dragnea einpacken und Vucic scheint auch der Saft auszugehen. Es scheint vor allem die jungen Menschen auf die Straße zu treiben, die sich mit den Zuständen nicht zufrieden geben wollen.
Die bisherige Bilanz der EU-Integration dieser Staaten ist nicht besonders ermutigend, aber wenn die neue Generation es schafft, sich von den Überresten der verkorksten UDSSR-Sozialisation ihrer Eltern zu emanzipieren, besteht Hoffnung.
Inoagent
#2.1 — 23. Juni 2019, 20:45 UhrDas soll jetzt nicht zu eitel klingen. Wir haben hierzulande selbst die beschriebenen Probleme in den "neuen" Bundesländern, wo die korrupten Rechtsextremen sogar teilweise im September stärkste Kraft werden könnten.
Joggerin an der Außenalster
#3 — 23. Juni 2019, 20:53 Uhr"Der Großunternehmer und Multimilliardär soll unter anderem unrechtmäßig von EU-Subventionen profitiert haben."
Da muss die EU hart durchgreifen.
anotheraccount3
#3.1 — 23. Juni 2019, 23:10 Uhr"Da muss die EU hart durchgreifen."
Der war gut! Oder war das sarkastisch gemeint?
Flinders
#4 — 23. Juni 2019, 20:54 UhrZur Einordnung:
Einwohner Tschechien 2019: Ca. 10,58 Millionen.
Demonstrierende - Sofer die Angaben stimmen: 250.000.
Macht dann so ca. 2,3% der Bevölkerung.
Gähn.
frizsbee
#4.1 — 23. Juni 2019, 20:57 UhrSehr sachlich. Aber so muss man nicht über die Gründe sprechen, aus denen die Menschen auf die Straße gehen. Man kann die Proteste auch einfach kleinrechnen.
Gähn.