Bei den Kommunalwahlen in Großbritannien zeichnen sich Verluste für die Konservative Partei von Premierminister Boris Johnson ab. Ersten Ergebnissen zufolge verloren die Tories die Mehrheit in den Stadtbezirken Barnet und Wandsworth in London, die seit Jahrzehnten von ihnen regiert waren. "Das ist ein Warnschuss der konservativen Wähler", sagte der Tory-Vorsitzende des Bezirksrats von Barnet, Daniel Thomas. Am Freitagvormittag war etwa ein Drittel der Wahlbezirke ausgezählt.
Die oppositionelle Labourpartei siegte auch im lange von den Konservativen dominierten Bezirk Westminister im Stadtzentrum von London, in dem sich die Regierungsgebäude und viele Wahrzeichen der Stadt befinden. Zudem gewann sie die Mehrheit in der südenglischen
Hafenstadt Southampton und dem neu geschaffenen nordwestenglischen
Bezirk Cumberland. In anderen Teilen Englands waren die Verluste der Tories zunächst begrenzt. Kleinere Parteien wie die Liberaldemokratinnen und die Grünen legten zu.
"Dies ist ein gewaltiger Wendepunkt für uns", sagte Labourchef Keir Starmer. Er verwies auf die Parlamentswahl 2019, als seine Partei deutliche Verluste erlitten hatte. "Wir haben Labour verändert", sagte Starmer nun und sprach von einer "Botschaft" an den konservativen Johnson.
Erster großer Stimmungstest seit Partygate
Die am Donnerstag abgehaltenen Wahlen in Tausenden Gemeinden und Bezirken Großbritanniens sind der erste Stimmungstest, seit der sogenannte Partygate-Skandal Johnson unter Druck gebracht hat. Auch die drastisch gestiegenen Lebenshaltungskosten gelten als Einflussfaktor. Ein schwaches Wahlergebnis könnte auch Johnsons Kritikern in den eigenen Reihen Auftrieb geben, die an seiner Mehrheitsfähigkeit bei der bis Ende 2024 anstehenden Parlamentswahl zweifeln.
Der bisherige Vorsitzende des Stadtrats im nordwestenglischen Carlisle machte Johnson für die Niederlage verantwortlich. "Probleme wie Partygate haben es zunehmend schwierig gemacht, sich auf örtliche Fragen zu konzentrieren", sagte Tory-Mitglied John Mallinson der BBC. Bleibe Johnson im Amt, steuere die Partei bei der für 2024 geplanten Parlamentswahl auf eine herbe Schlappe zu.
Tory-Generalsekretär Oliver Dowden sah keine weitreichenden Veränderungen in den vorläufigen Ergebnissen. "Natürlich hatten wir einige schwierige Ergebnisse, das kann man in London sehen", sagte Dowden der BBC. Aber in anderen Gemeinden hätten die Tories zugelegt. "Wenn man sich das ganze Bild anschaut, zeigt das wahrlich nicht, dass Labour ein Momentum hätte, um die nächste Regierung zu stellen", sagte Dowden.
In Schottland und Wales wurden am Donnerstag ebenfalls neue Gemeinde- und Bezirksräte gewählt. In Nordirland wurde ein neues Regionalparlament gewählt. Mit der Auszählung der Stimmen sollte aber erst am Freitag begonnen werden. Umfragen zufolge dürfte die katholisch-republikanische Partei Sinn Féin erstmals stärkste Kraft in der früheren Unruheprovinz Nordirland werden.
Kommentare
Veganes Hack
#1 — vor 2 MonatenLaeuft doch bei Boris.
Politische Verantwortung uebernehmen? Ach was, ein paar Winkelemente werden's schon tun.
Sonika 11
#2 — vor 2 MonatenLabour rein, Toris raus!
Ich hoffe, das die Briten endlich kapiert haben, dass Johnson, dass Land in den Untergang stürzt.
The Academist
#2.1 — vor 2 MonatenNach der "Leistung" sind aber begrenzte Verluste nicht gerade viel...Boris scheint die Briten also nicht so sehr zu stören wie wir es annehmen
Reffes
#3 — vor 2 MonatenDie Kommunal Politiker der Tories haben Wahlflyer verteilt auf denen sie flehten, nicht für Johnson’s Politik abgestraft zu werden, oder direkt auf das Partei Logo verzichtet. Mehrere Tory Lokalpolitiker haben diese Nacht und heute Morgen Johnson zum Rücktritt aufgefordert.
Sehr schön auch Johnson’s Antwort in einem Interview auf die Frage, was er über eine ältere Dame, die den ganzen Tag mit dem Bus mitfährt, weil sie sich das Heizen daheim nicht leisten kann, zu sagen hat: Bus fahren kann sie dank mir!
Karl Lauer
#3.1 — vor 2 Monaten"Außer Schwindsucht kerngesund!"
EnkelchenvonAma
#4 — vor 2 MonatenNein, habne sie scheinbar nicht. dort auf dem Land, wo Boris am wenigsten leistet, scheinen seine Verluste am geringsten. Verstehe jemand die Welt und die Engländer.
jan2110
#4.1 — vor 2 MonatenWenn man natrütlich nur sehr einseitige Informationen zu sich nimmt dann kann man zu so einer Einschätzung kommen wie Sie.
Anders als vorhergesagt (und immer wieder in der Zeit behauptet) ist die Wirtschaft UKs nach Brexit nicht abgeschmiert sondern hat sich ähnlich entwickelt wie vergleichbare Volkswirtschaften Europas (z.B. Frankreich oder Italien) - also nichts mit Katastrophe durch Brexit. Und zumindest mittelfristig wird vorhergesagt dass GB sich vorteilhafter als die Eurozone entwickelnt wird (weiss natürlich keiner, viel kann passieren).
Die meisten Briten wissen auch (gerade die auf dem Land) das große Teile des Landes in den vergangenen 30-40 Jahren stark vernachlässigt wurden und zwar von beiden großen Parteien (Torries und Labour) und sie verstehen auch dass so eine Veränderung Zeit braucht. Zumindest hat Boris es auf seine Agenda gesetzt und ein paar konkrete Pläne dazu (Crossrail, Freeports etc.). Es ist also verständlich dass der Durchschnittswähler außerhalb Londons der für den Brexit gestimmt hat nicht nach 1 jahr Wunder erwartet.