Gewiss,
das deutsche Nachkriegskino entwickelte sich hauptsächlich zwischen den bunten
Idyllen des Heimatfilms, dem Nebelgrau der gruftigen Kriminalfilme und dem
harten Schwarzweiß der Kriegsfilme zwischen Pazifismus und Wiederbewaffnung.
Aber zwischen alledem gab es immer wieder Träume von Aus- und Aufbruch. Und
unter den Aus- und Aufbruchshelden war Hardy Krüger derjenige, dem man es
wirklich zutraute, das Abenteuer. Weil er beides war, ein lakonischer
Melancholiker, der eine verborgene Last, ein geheimes Wissen mit sich
herumschleppte, und ein ewiger Junge, mit einem gesunden Appetit auf Abenteuer
und Welterfahrung.
Noch in hohem Alter hatte er dieses sanft lausbübische Lächeln von jemandem, der sich immer noch über die Schönheiten und die Dummheiten dieser Welt wundern kann. Mit Hardy Krüger entkamen wir für anderthalb Stunden dem Sog der neobiedermeierlichen Stickigkeit, aber auch der hysterisch gepflegten Infantilität des deutschen Pop-Mainstream. Er war der Junge, in dem schon immer etwas Erwachsen-Männliches steckte, und der Mann, in dem immer noch etwas von dem abenteuerlichen Jungen steckte. Wenn er ein Held war, dann immer einer, der auch scheitern, der auch verlieren konnte.
Einer kam durch war ein seltsamer Film. Eine englische
Produktion des Jahres 1957, die den Ausbruch und die Heimkehr eines jungen
deutschen Kriegsgefangenen als sportliche Leistung und als mehr oder weniger
realistische Heldenreise schilderte. Es war sozusagen die Geburt der Hardy-Krüger-Leinwandfigur: Der junge Mann, der aus dem Schatten der Vergangenheit
tritt und in die Gegenwart der Moderne. Und einer, der die persönliche Freiheit
über alles setzt.
Zuvor hatte sich schon ein anderes Befreiungsbild angedeutet: Für bundesdeutsche Verhältnisse des Jahres 1953 war Otto Premingers europäische Version von The Moon is Blue unter dem Titel Die Jungfrau auf dem Dach ein Maximum an erotischer Befreiung und trotz der entschärften Dialoge Anlass für sittliche Empörung und Zensur. Das Recht auf persönliche Entfaltung und individuelles Glück musste in diesen Jahren erst erobert werden, auch auf der Leinwand. Und Hardy Krüger war einer von denen, die das für uns unternahmen, wenn auch nicht mit garantiertem Erfolg.
Dabei hatte Krüger den Nationalsozialismus tief in seine Biografie gesenkt bekommen: Auf Wunsch der Eltern besuchte der 1928 geborene Junge mit 13 Jahren eine "Adolf Hitler Schule" als Eliteschmiede und wurde dann von Alfred Weidenmann für den Propagandafilm Junge Adler ausgewählt, die direkte Umformung von jugendlicher Begeisterung für Technik und Gemeinschaft in den faschistischen Kriegs- und Opfermythos. Und dann kam der Einsatz in den letzten Kriegstagen, die Verweigerung des Schießbefehls, weswegen der 16-Jährige von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt, dann jedoch begnadigt wurde. Hardy Krüger war der Junge, der sich aus eigenem Entschluss und eigener Kraft von der Naziideologie und ihrem Mordauftrag befreit hatte. Schon das prädestinierte ihn zu einem Idol für die erste Nachkriegsgeneration.
Der nächste Skandalfilm war eine exotistische Schmonzette, in der auf ganz merkwürdige Weise unterdrückte Sehnsucht und postkoloniale Ignoranz zusammen kamen. Liane, das Mädchen aus dem Urwald aus dem Jahr 1956 versprach uns großes Abenteuer und das, was die Kritik jener Zeit als "Darbietung von Nuditäten" charakterisierte. Es war nicht allzu weit her damit, aber Hardy Krüger war der Richtige, uns einen Weg zu bahnen in die suggestiven Bilder des erotischen Dschungels und der Erbschaftsintrigen, die sich prompt an die Rückkehr des Urwaldmädchens Marion Michael ins kalte Deutschland entspinnen mussten.
Kommentare
ArgumentClinic
#1 — vor 4 MonatenEiner der Guten. Danke für Ihren Nachruf, und R.I.P., Hardy.
RayCharles
#2 — vor 4 MonatenEin hervorragender Schauspieler, Weltenbummler und Buchautor. Er wusste, was für ein wunderbares Leben er hatte und war dankbar dafür, daß hat er selbst gesagt. Ruhe in Frieden und Danke für deine Filme.
tartan
#3 — vor 4 MonatenHardy Krüger verbinde ich immer mit dem Flug des Phoenix:
https://de.wikipedia.org/wik…
MurrayBozinsky
#3.1 — vor 4 MonatenEiner meiner Lieblingsfilme! Hardy als nerdiger Ingenieur, den man anfangs nicht ernst nimmt, der aber am Ende die Überlebenden rettet.
M.Aurelius
#4 — vor 4 MonatenAm Anfang des Lebens kämpft man für „die Sache“. Am Ende stellt man fest, dass nur die Menschen zählen - vielleicht auch, weil dann einer nach dem anderen geht, der einem etwas bedeutet hat. Heute war es wieder so weit. Farewell Seppel!