In Kolumbien haben nach Polizeiangaben mehr als 200.000 Menschen gegen die Politik der rechtskonservativen Regierung von Präsident Iván Duque protestiert. Dem Generalstreik und den Massenkundgebungen, die von den Gewerkschaften organisiert worden waren, schlossen sich auch Studentinnen, Lehrer, indigene Gruppen, Umweltschützer und die Opposition an.
Nachdem die Proteste zunächst nach Angaben der Behörden weitgehend ruhig blieben und es nur vereinzelt Zusammenstößen gab, kam es am Donnerstagabend zu Ausschreitungen. Demonstranten warfen Steine auf Bereitschaftspolizisten, die mit dem Einsatz von Tränengas reagierten. Protestierende versuchten sich zudem Zugang zum Kongress zu verschaffen und rissen ein Stück Stoff ein, das ein historisches Gebäude auf dem zentralen Plaza de Bolívar schützt.
In Bogotá setzte die Polizei Blendgranaten gegen Studierende ein, die zu Tausenden zum internationalen Flughafen der kolumbianischen Hauptstadt zogen. Außerdem blieben in der Hauptstadt viele Geschäfte, Schulen und Universitäten geschlossen, während sich mehrere Protestzüge in Richtung des zentralen Bolívar-Platzes bewegten. In mehreren Städten waren der öffentliche Nahverkehr und Straßen blockiert.
Die kolumbianische Regierung stellte 170.000 Einsatzkräfte für Sicherheitsmaßnahmen bereit. Zudem sicherte die Armee während der Protestaktionen "strategische Einrichtungen" ab. Bereits zuvor waren außerdem die Grenzen zu den Nachbarländern Brasilien, Ecuador, Peru und Venezuela geschlossen worden.
Forderung nach Umsetzung des Friedensprozesses
Die Demonstrationen in der Hauptstadt Bogotá und anderen Städten des
südamerikanischen Staats richteten sich unter anderem gegen die Sozial-
und Sicherheitspolitik der Regierung. Die Initiatoren des
Generalstreiks fordern unter anderem eine gerechtere Sozialpolitik, den Schutz der indigenen Bevölkerung sowie einen effektiven Umweltschutz.
Außerdem verlangen sie eine Umsetzung des Friedensprozesses mit der Rebellengruppe Farc. Ende 2016 hatten die linke Farc und die kolumbianische Regierung den jahrzehntelangen Bürgerkrieg mit rund 220.000 Toten und Millionen Vertriebenen mit einem Friedensvertrag beendet. Seitdem haben Tausende Farc-Mitglieder die Waffen niedergelegt. Sie sollen nun ins Zivilleben zurückkehren. Allerdings werfen die Ex-Guerilleros der Regierung immer wieder vor, ihre Verpflichtungen nicht zu erfüllen und drohten wiederholt damit, den bewaffneten Kampf wieder aufzunehmen.
Die nationale Bischofskonferenz unterstützt den Streik und sprach von einem demokratischen Recht. "Der Weg zur Überwindung der sozialen Probleme und einer nachhaltigen Entwicklung unseres Landes geht über das Zuhören und den Dialog mit allen sozialen Akteuren" , hieß es.
Die Proteste waren die größten der vergangenen Jahre. Der seit 18 Monaten regierende Duque hatte am Mittwoch in einer Fernsehansprache die Berechtigung einiger Forderungen eingeräumt. Zugleich beklagte er jedoch die Anstachelung neuer Gewalt durch eine von Lügen angeheizte Kampagne.
Trotz der regen Beteiligung an den Kundgebungen zeigten sich Experten skeptisch, dass sich Kolumbien nun auf eine anhaltende Protestwelle wie in Bolivien, Chile und Ecuador gefasst machen muss. Das Land befinde sich nicht in einem aufrührerischen Vorzustand, sagte Yann Basset von der Rosario-Universität in Bogotá. Er glaube nicht, dass es eine allgemeine Ablehnung des politischen Systems gebe.
Kommentare
Закон Шмальгаузена
#1 — 22. November 2019, 1:29 UhrWer den Ereignissen folgen will, kann das hier tun: https://www.semana.com/nacio…
Diese ganzen Proteste in Lateinamerika und anderswo, aus vermeintlich ganz verschiedenen Motiven und Konstellationen heraus, lassen sich letztlich auf Defizite der Protodemokratien zurückführen, in denen die Menschen nur Repräsentanten, nicht aber politische Positionen wählen können.
Bei uns ist dieses Ohnmachtsgefühl bisher noch in Protestwahlverhalten kanalisiert.
Es nützt alles nichts: Die Demokratie muss ihren massiven Innovationsstau abbauen und besser werden, oder sie wird nicht standhalten.
Le état ce est rien
#1.1 — 22. November 2019, 1:43 UhrWas schlagen Sie vor? Wie kann man die Demokratie besser machen?
USGerman
#2 — 22. November 2019, 2:17 UhrHier in USA nennt man das “Black Friday” - die Masse rennt die consumtempel nieder ....in Cali hat sich so mancher noch schnell einen Flachbildschirm aufs Mofa geklemmt ...
Закон Шмальгаузена
#2.1 — 22. November 2019, 2:23 UhrKonzentrieren Sie sich auf das Wesentliche, nicht diese Randerscheinungen. Zum Beispiel mehr als 60 demolierte Busstationen in Bogotá; Santiago nachahmende Eigendynamik.
Michael 23.12.53
#3 — 22. November 2019, 2:18 UhrFrüher oder später findet jeder Staat einen Weg zu eigener Demokratie oder auch nicht? Jedenfalls, mit Gewalt wird sie nicht funktionieren.
grafschaft1
#3.1 — 22. November 2019, 6:52 Uhrwenn Demonstrationen gegen das Zentrum der (wirtschaftlichen) Macht gehen wird es ungemütlich. die herrschenden Eliten versuchen die Bewegungen zu zersetzen und zu kriminalisieren, früher waren Polizei- und Militärgewalt üblich, heute arbeitet man geschickter und verdeckter
nur in ganz seltenen Fällen gibt es einen Machtwechsel ohne Blutvergiessen
lennon68
#4 — 22. November 2019, 2:49 Uhr„Zugleich beklagte er jedoch die Anstachelung neuer Gewalt durch eine von Lügen angeheizte Kampagne.“
Was soll das für eine Kampagne sein? Wenn die Leute für mehr Gerechtigkeit und Frieden auf die Strasse gehen, so ist das positiv und bedarf keiner Verschwörungstheorien.